„Schmeckts´ Ihnen?“ fragt mich der engagierte Ober und weil ich mit meinem vollen Mund nicht sprechen kann, liefert er die Antwort gleich mit: „Wunderbar!“
Na, ja, denke ich, wir wollen es nicht übertreiben. Die Aussicht zu meiner Rechten ist malerisch: Das Ulmer Münster im Regen. Doch der Gast zu meiner Linken hat eine Tischkultur, die eher zu MacDonalds und weniger zu einem Abendessen im gehobenen Restaurant passt.
Buchblättern, Pommes, Fettfinger
In der linken Hand hält er ein Taschenbuch, mit der Rechten greift er blind nach Pommes – ohne Gabel versteht sich. Zwischendurch wischt er sich die fettigen Pommes-Finger auf einer Serviette ab, die seinen Schoss bedeckt: Buchblättern, Pommes, Fettfinger – ein rhythmischer Gleichklang, der mein Abendessen begleitet. Zu gerne würde der Ober das Schauspiel beenden und den Teller abräumen – ohne Erfolg. Nein, meint der Fastfood-Genießer, und vollendet den Akkord.
Langsam vergeht mir der Appetit
Ich konzentriere mich auf die Regentropfen und beobachte, wie eine Service-Kollegin zwei Gäste anhält, die gerade das Restaurant verlassen möchten: STOP – offensichtlich hält sie das Paar im Glitzershirt für Zechpreller. Triumphierend halten diese der Mitarbeiterin den Kassenbeleg unter die Nase. Ein kurzes „Sorry“ – und weg sind sie.
Kennen die Mitarbeiter den Restaurant Knigge?
Trotz des Fauxpas habe ich den Eindruck, dass die Mitarbeiter in diesem Restaurant frisch geschult sind. Im fließenden Wechsel zwischen Deutsch und Englisch agieren sie weitgehend souverän und mühen sich redlich, gute Gastgeber zu sein. Als mein Pommes-Nachbar zufrieden das Buch zuklappt und nach der Rechnung verlangt, reagiert der Ober mit einem professionellen Lächeln – oder war es doch eher ein erleichtertes Grinsen? Schnell weg mit der fettigen Serviette – der nächste Gast ruft.
Haben Sie Interesse, selbst als Knigge Trainer tätig zu werden?
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