Mit Profil auf dem Profil – das Storytelling von heute

von | 24.08.2020 | Social Media

Kennen Sie das? Sie machen es, obwohl Sie wissen, dass es eigentlich verschwendete Zeit ist? Ich ertappe mich leider immer wieder dabei, dass ich meine wenige freie Zeit auf Social Media Plattformen zum Storytelling verplempere. Entweder weil ich auf eine der Info-Nachrichten klicke, die mir freundlicherweise von den Plattformen geschickt werden – „XY hat einen neuen Job“/ „Frau Siller, Sie fallen auf!“/ „ Z hat 7 neue Fotos gepostet“ … – oder weil mich meine Neugier tatsächlich schon so weit korrumpiert hat, dass ich denke: „Lass mal gucken, was die Anderen so machen“.

Foto: Shutterstock

Social Media – das persönliche Storytelling

Und tatsächlich gibt es jeden Tag neue Informationen – wo im Urlaub, was gegessen, welches Konzert besucht, neuer Beziehungsstatus, neuer Friseur etc., die es mir ermöglichen, am Leben der mir virtuell verbundenen Menschen teilzuhaben.

Aber wie immer im Leben gibt es auch hier den Unterschied zwischen „Gut gemeint“ und „Gut gemacht“. Nicht alle Inszenierungen sind vorteilhaft und ansprechend, manche lösen doch eher ungute Gefühle aus: 

Fremdschämen. Die Frage, ob im Oberstübchen noch alles am rechten Platz sitzt. Und manchmal noch schlimmer: Das Gefühl als Klatscher Mittel zum Zweck zu sein.

Nach persönlicher Feldrecherche sind es für mich die folgenden drei Kategorien, die dafür verantwortlich sind:

1. Zu tiefe Einsichten und Einblicke

Gesichtsmasken, sehr nackte Bilder und Dinge, die auch sonst besser unter Ausschluss der Öffentlichkeit passieren sollten bspw. Rasieren und Zähneputzen – also alles, was eine gewisse Distanzzone unterschreitet – ist online ebenfalls fehl am Platze. Es ist doch immer schön, wenn ein kleines Geheimnis bleibt. Ich möchte doch gar nicht wissen, wie lange es dauert und wie es genau passiert bis bspw. die Damen bei Oscar-Verleihung hergerichtet worden sind. Da wäre doch die ganze Magie im Eimer. Schwupp und schön. So ist´s im Märchen und so ist´s magisch.

2. Ei, was hab´ ich dort entdeckt – ein Wunschbild im Profil versteckt

Nicht immer ist je doller auch toller: Grimassen, ausgefallene Posen und Verrenkungen, Hasenohren, Hunde-Schnäutzchen, Kulleraugen und ausgefallene Filter erzählen auch eine Geschichte – manchmal eine charmante und interessante, aber meistens offenbaren sie eher eine Sehnsucht nach einer Art gesehen werden zu wollen, die mit dem eigenen Ich nicht zu funktionieren scheint. Wenn also bspw. eine taffe Business-Lady auf einmal ihr Profilbild mit sexy Eyes versieht, schafft das manchmal einen reizvollen Kontrast, unter Umständen irritiert das aber eher und führt zum Verlust der Glaubwürdigkeit.

3. Mr. Wichtig und die Allerschönste im Land

Wer kennt sie nicht, die Zeitgenossen, die permanent alles fotografieren und für mitteilungswürdig halten: Am liebsten sich und alles darum herum. Narzisstische Selfies, die im Stundentakt erfolgen, angereichert mit Lebensweisheiten, die dem Leser vermitteln, dass dieser ein kleiner Hanswurst ist, schaffen nicht die geplante Bewunderung, sondern den Eindruck, dass da jemand sein eigenes Ego aufpoliert.

Storytelling: Was Herzen berühren soll, muss von Herzen kommen

Manches, was ich sehe, freut mich wirklich, bringt mich zu Lachen oder Nachdenken. Aber manchmal fühle ich mich in die Position des Zuschauers, fast des Voyers, gedrängt, dessen Rolle darin besteht, zu huldigen und dankbar sein zu müssen, ge-influenct zu werden.

Influencing ist natürlich eine Frage der Definition: Wir kennen das heutzutage als Bezeichnung für den Aufbau eines Follower-Kreises mit dem Ziel, diesen geschickt dahin zu lenken, die vorgeschlagenen Produkte und Dienstleistungen zu kaufen. Ein paar Beispiele finden Sie hier.

Ich denke aber, um dem Anspruch zu genügen, ein echter Influencer zu sein, also jemand, der das Leben von anderen Menschen tatsächlich positiv beeinflusst und wirklich als Vorbild dient, braucht es mehr als perfekte Selbstinszenierung mit dem Ziel, was auch immer zu verkaufen – auch wenn das Social Media Profil immer eine Visitenkarte ist, die gepflegt werden will.

Keine aufgepimpte Mogelpackung, sondern Teilen auf Augenhöhe

Was mich tatsächlich bewegt, sind die Momente, wo ich mein Gegenüber spüren kann. Weil er etwas schreibt und zeigt, was ihn tatsächlich bewegt und bei dem ich spüre, dass es ihm etwas bedeutet, Spaß macht, zum Lachen oder Weinen oder Ärgern bringt.

Echt-Sein ist die Devise. Authentisch sein und dazu stehen, dass man das denkt, sagt oder tut – auch mit Ecken und Kanten – denn dann fühle ich mich als virtueller Freund/ Follower auch ernstgenommen und auf Augenhöhe. Wenn ich dann etwas sehe, wo ich denke – „Wow, wie cool!“, dann fühle ich mich nicht als Klatscher missbraucht, sondern als Adressat wertgeschätzt und wirklich inspiriert. 

Ich wünsche Ihnen für die kommenden Sommerwochen viele Erlebnisse und Begegnungen, die Sie inspirieren und Ihnen das Herz voll machen – ganz egal, ob Sie sie leise für sich selbst erleben oder mit allen öffentlich teilen, 

bleiben Sie wohlauf,

Ihre Evelyn Siller


Evelyn Siller

Evelyn Siller ist Stil- und Knigge-Expertin in Stuttgart und Mitglied im Deutschen Knigge-Rat. Sie unterstützt Führungskräfte, Unternehmen und alle, die den Unterschied machen wollen, mit Stil und Strategie beim echten, sympathischen und erfolgreichen Auftritt. Außerdem ist sie Ausbilderin für die Ausbildung zum Personality Stylist an der Gutshof Akademie.

https://evelyn-siller.de/

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