Knigge Handschlag: Er meldet sich zurück

von | 30.05.2022 | Knigge

Seit einigen Wochen fällt mir beim Durchblättern der Tageszeitungen folgendes auf: Es sind immer mehr Fotos zu sehen, bei denen sich Politiker die Hand reichen. Auch im geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben ist dies mehr und mehr zu beobachten. Vor zwei Jahren wurde der Knigge Handschlag von manchen bereits für tot erklärt. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger.

Knigge Handschlag
Foto: shutterstock

Von den Ursprüngen des Händedrucks

Einem anderen Menschen die Hand zu reichen, begann wahrscheinlich als alte Geste des Friedens vor tausenden von Jahren. Sie verdeutlichte, dass beide Personen keine Waffen tragen und auch keine im Ärmel versteckt haben. Diese würden nämlich durch das Schütteln der Hände herunterfallen. Auf vielen antiken Gegenständen sind Abbildungen mit solchen Handschlägen bereits zu sehen.

Als Ritual zur Begrüßung etablierte sich das Händegeben allerdings erst viel später. Einige Historiker glauben, dass es durch die Quäker im Amerika des 17. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. Anstelle der damals üblichen Verbeugungen und Knickse oder dem Abnehmen des Hutes zur Begrüßung gebrauchten sie den Handschlag, unabhängig vom sozialen Status der Personen. Sie sahen diese Form der Begrüßung als demokratischer an.

Die Verhaltenswissenschaftlerin Val Curtis von der London School of Hygiene and Tropical Medicine nennt einen anderen möglichen Grund, warum wir uns mit einem Handschlag begrüßen: Wir signalisieren damit ein so großes Vertrauen zueinander, dass wir sogar bereit sind, unsere Keime zu teilen. Durchaus plausibel. Und sehr verständlich, dass wir in der Pandemie darauf verzichten.

Wofür steht der Knigge Handschlag heute?

Mit einem Händedruck begrüßen wir uns nicht nur gegenseitig. Wir stellen uns vor, verabschieden uns, besiegeln Verträge und Vereinbarungen, schließen Frieden oder den Bund fürs Leben, bringen Versöhnung zum Ausdruck, gratulieren zum Geburtstag oder einem anderen besonderen Ereignis.

Geben wir einer anderen Person die Hand, müssen wir aus der gesellschaftlichen in die persönliche Distanzzone treten. Dies ist ganz klar ein Vertrauensbeweis und symbolisiert Offenheit, Wohlwollen und Freundschaft. Beim Händegeben entsteht eine erste physische Verbindung zur anderen Person. Das Berühren der fremden Hand gibt uns gegenseitig Halt, wenn auch nur kurz. Der Druck der Hände, die Textur und Temperatur der Haut sprechen uns an – hauptsächlich unbewusst.

Zur formellen Begrüßung gehört in unserer Kultur immer das Händegeben. Als Symbol mit ritueller und zwischenmenschlicher Bedeutsamkeit spricht es eine deutliche Sprache, wenn das Reichen der Hand verweigert wird. Allerdings hat seit Beginn der Pandemie jeder Verständnis dafür, keine Hände zu schütteln. Auch vor Corona war es kein Fauxpas (und ist es auch jetzt nicht), wegen einer Erkältung dem anderen die Hand nicht zu reichen. Wird dies vorab kurz geklärt – völlig in Ordnung.

Ellenbogencheck, Ghetto-Faust, Becken Boogie, Füßeln – ein Ersatz?

Allein die Tatsache, dass wir seit gut zwei Jahren auf der Suche nach einem adäquaten Ersatz für den Händedruck sind und verschiedene Varianten ausprobieren, zeigt, wie wichtig dieser als Ritual für uns ist. Ellenbogencheck, Ghetto-Faust, Becken Boogie, Füßeln: Keine dieser Alternativen überzeugt wirklich. Wenn schon, dann passen sie eher ins private Umfeld, sehen im Business und der Politik beinahe lächerlich aus.

Ein freundliches Lächeln mit Blickkontakt und Kopfnicken ist weit angebrachter. Und dennoch fehlt die Berührung, der körperliche Kontakt, der für uns Menschen doch so wichtig ist. Gerade nach einer so langen Zeit, in der vieles nur online möglich war, sehnen wir uns danach, die Hand eines anderen zu ergreifen oder jemanden in den Arm zu nehmen – zumindest geht es mir so.

Warum? Weil es sich einfach vertraut anfühlt. Und was uns vertraut ist, gibt uns Sicherheit. Weil es eine Gewohnheit und ein Teil von uns ist. Es gehört einfach dazu und kann nicht mit x-beliebigen Kompromissen ersetzt werden. Es ist ein Hoffnungsschimmer, dass bald alles wieder gut ist. Deshalb meldet sich meiner Meinung nach der Handschlag wieder zurück.

Wagen Sie dieses Risiko des Vertrauens. Öffnen Sie sich wieder für Ihr Gegenüber. Reichen Sie die Hand. Sie werden sich daran erinnern: Es fühlt sich einfach gut an.

Alle Infos zur Ausbildung zum Lizenzierten Knigge Trainer finden Sie hier.


Glaudia Chestnut

Glaudia Chestnut hat an der Gutshof Akademie die Ausbildung zum Personal Image Coach (IHK), zur zertifizierten Knigge-Trainerin sowie Wohnberaterin abgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet sie das Hotel Inspiration im südostbayerischen Tittmoning. Nach ihrem Motto: manifest your best! unterstützt sie Menschen, sich professionell zu präsentieren.

www.glaudiachestnut.com

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