Spieglein, Spieglein, an der Wand

von | 06.11.2017 | Allgemein, Coaching | 2 Kommentare

Nicht immer bedeutet der Blick in den Spiegel Eitelkeit oder erfüllt einen kosmetischen Zweck. Es kann auch ein Bild dafür sein, wie wir lernen können, einmal die Perspektive von anderen einzunehmen, um zu erfahren, wie andere uns wahrnehmen und damit ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen unserer Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung zu bekommen, wenn wir mit unserem Selbstbewusstsein und unserem Selbstwertgefühl ins Wanken gekommen sind.

Foto: Shutterstock

Ich möchte Ihnen heute von einer engagierte, sympathische, attraktiven Frau erzählen, die mit beiden Beinen fest im Leben steht und doch nicht sehen kann, was ihr Umfeld von ihr wahrnimmt. Die als gestandene Frau immer noch damit kämpft, sich ihrer Stärken und ihrer inneren und äußere Schönheit bewusst zu werden.

Cordulas Geschichte

Cordula, eine hübsche und freundliche Frau, verheiratet, Mutter von zwei Jungs, Verwaltungsangestellte in Teilzeit, sitzt mir gegenüber. Sie möchte endlich etwas an sich ändern. Zunächst war ihr Wunsch nur auf das Äußere gerichtet, aber schon bald wurde klar, dass der Wunsch nach Veränderung tiefer geht. Sie will endlich mehr auf sich schauen, sich selbst wieder mehr in den Fokus nehmen. Doch genau das fällt ihr unglaublich schwer.

Nach und nach öffnet sie sich im Gespräch und berichtet darüber, wie ihr Vater nie ein gutes Haar an ihr lassen konnte. Er war immer unzufrieden, mit der finanziellen Situation zu Hause, seinem Arbeitsplatz, aber eben auch mit ihr. So sehr sie sich auch bemühte, Lob oder Komplimente gab es nicht. Nichts war ihm gut genug. Mit der Zeit schlussfolgerte sie daraus, dass sie selbst nicht gut genug sei.

Allmählich änderte sich ihr Selbstbild

Cordula berichtet, dass sie immer unsicherer wurde, was natürlich auch in ihrem Umfeld nicht ohne Spuren blieb. Das machte es ihr nicht leicht in der Schule, später im Beruf. Trotzdem bemühte sie sich, gab ihr Bestes, um weiterzukommen, es einmal besser zu haben als ihre Eltern und diese Unzufriedenheit loszuwerden. Doch irgendwie stand immer etwas dazwischen. Kollegen wurden bevorzugt und auf bessere Posten gesetzt. Offenbar reichte es wieder nicht.

Kein Platz für eigene Bedürfnisse

Sie heiratete, das erste Kind kam, dann der Hausbau, ein zweites Kind. Cordula gab alles, stellte sich immer hinten an – erst die Kinder, der Mann, das Haus – da war kein Platz mehr für eigene Bedürfnisse und Wünsche. Sie engagierte sich für den Kindergarten, in der Kirchengemeinde und fing irgendwann wieder an zu arbeiten – das Geld war knapp. Alles was sie gab reichte nicht, um ihr das Gefühl zu vermitteln, genug zu sein, dazuzugehören – nicht auf der Arbeit, nicht in der neuen Nachbarschaft, noch nicht einmal in der Familie ihres Mannes. Cordula fühlt sich nicht beachtet und nicht wertgeschätzt.

Nonverbale Signale

Im Laufe unserer Kindheit und Jugend entwickeln wir nach und nach ein konkretes Bild über uns selbst, das nicht unbedingt dem entspricht, wie wir von außen wahrgenommen werden, sondern wie wir uns selbst einschätzen und fühlen. Es ist geprägt von unseren eigenen Erfahrungen mit uns selbst und dem, wie andere auf uns reagieren und mit uns umgehen. Das meiste passiert dabei nonverbal, vieles auch unbewusst. Aber alles wird aufgenommen und unserem Erfahrungsschatz hinzugefügt. Dieses Bild verinnerlichen wir mit der Zeit so stark, dass wir auch positive Impulse und Feedbacks von außen oft nur noch sehr selektiv wahrnehmen.

Unser Körper speichert all dieses in Form von Emotionen ab, die andere wiederum in unserer Körpersprache, unserer Stimme und unserer Art uns auszudrücken wahrnehmen. Sogar unsere Figur und unser Erscheinungsbild drücken aus, was wir über uns selbst denken und wie wohl wir uns in unsrer eigenen Haut fühlen. Ungewollt beeinflussen wir so übrigens auch die Meinung der anderen über uns.

Wie gehen wir mit dieser Diskrepanz um?

Wie können wir nun diese negative Selbstwahrnehmung und unsere selektive Fremdwahrnehmung korrigieren und mehr in Einklang mit unserem eigentlichen Selbst kommen?

Zunächst einmal ist es wichtig, dass wir eine ehrliche Bestandsaufnahme von uns selbst machen. Sie sollten sich fragen, was Ihnen wirklich wichtig ist, was Sie als Person ausmacht, was Ihre Stärken sind, Ihre Talente, was Sie alles schon geleistet haben. Halten Sie dies am besten schriftlich fest, das hat eine besondere Wirkung. Dann werfen Sie als nächstes einen sehr wohlwollenden Blick auf Ihren Körper, vielleicht zunächst auch nur auf ihr Gesicht, wenn Ihnen das leichter fällt. Bemühen Sie sich, sich einmal mit „fremden Augen“ zu betrachten, oder vielleicht mit den Augen ihrer Freundin, ihres Kindes oder ihres Partners, der sie liebt.

Als nächstes bitten Sie einen Menschen, dem Sie in dieser Sache vertrauen, Ihnen Feedback zu geben. Fragen Sie dabei nach Ihren inneren Werten und nach Ihrem äußeren Erscheinungsbild. Wenn es Ihnen hilft, erwähnen Sie ruhig, dass Sie sich zunächst ausschließlich Positives wünschen. Halten Sie auch diese Antworten unbedingt schriftlich fest.

Ein gefülltes Schatzkästchen

Meinen Kundinnen gebe ich gerne den Tipp, Ihre Notizen aus diesem Prozess in einem Schatzkästchen aufzubewahren, weiter fleißig zu befüllen und regelmäßig  in einer ruhigen Minute durchzulesen. So können auch Sie in schwierigen Phasen Ihr ins Wanken gekommenes Selbstbild wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Cordula ist dies übrigens anfangs recht schwer gefallen, aber mit der Zeit ist es ihr immer besser gelungen. In einem der letzten Treffen verriet sie mir, dass sie längst ein zweites Schatzkästchen bräuchte. Das hatte ich längst vermutet, denn an ihrer Körperhaltung, ihrem strahlenden Lächeln und der neuen Kleidung konnte man ihr das ohnehin ansehen.


Bettina Hertzler

Bettina Hertzler ist Absolventin der Gutshof Akademie.
Sie ist Personal-Image-Coach und systemisch-lösungsorientierte Beraterin.
Privatpersonen, Angestellte und Selbständige berät sie in Stilfragen und Persönlichkeitsentwicklung.

Ihr Motto: Entdecke und zeige, was in Dir steckt!

http://www.bettina-hertzler.de/

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank, liebe Melanie für Dein Feedback. Ich freue mich, wenn ich Dir durch meinen Blogartikel Anregungen geben konnte.
    Ich wünsche Dir viele beglückende Momente beim Blick in den Spiegel und dem Befüllen Deines Schatzkästchens. Herzliche Grüße, Bettina

  2. Ein sehr schöner Bericht finde ich. Er inspiriert mich gerade mal wieder genauer hinzusehen….Beim Blick in den Spiegel….Beim Blick auf mein selbst….wie ist mein Selbstbild. Und ein
    Dankeschön für die Idee mit dem Schatzkästchen liebe Bettina.