Selfie: Warum lieben wir das Bild von uns selbst?

von | 27.05.2014 | Knigge, Rainer Wälde | 2 Kommentare

Zugegeben: Bis vor einem Jahr kannte ich das Wort „Selfie“ überhaupt nicht. Doch dann stolperte ich in den sozialen Netzwerken und in Medienberichten immer häufiger über diesen Begriff. Für mich verknüpft dieses populäre „Selbstportrait“ mit dem Handy sehr spannend das Thema Identität mit Knigge.

Schaut her, ich bin wer!

Die Frage „Wer bin ich?“ hat bereits die Maler der Renaissance umgetrieben: Albrecht Dürer malte 1498 sein Selbstportrait mit Landschaft. An den Bildrand schrieb er: „Das malt‘ ich nach meiner Gestalt. Ich war 26 Jahr‘ alt.“ Mit diesem Bild hat sich Dürer ausgesprochen „Selbst-bewusst“ in der damaligen Kultur präsentiert: Schaut her, ich bin wer… Der junge Albrecht signalisierte der Gesellschaft auch seinen Marktwert als Künstler – auf Augenhöhe mit den Führungskräften seiner Zeit.

Albrecht Dürer - wikipedia

Albrecht Dürer – wikipedia

Der 26jährige Dürer ist mir mich eine passende Brücke zu den „Selfies“ im Jahre 2014: Auch heute gehört es für Teenager und Jugendliche dazu, sich bei Facebook und Co. möglichst selbstbewusst zu präsentieren. Bei Pinterest habe ich einige Beispiele gesammelt: Junge Frauen und Männer nutzen häufig den Spiegel, um sich in ihrer Altersgruppe möglichst vorteilhaft zu präsentieren. „Sexiness“ lautet die Leitwährung. Stolz wird das T-Shirt hochgezogen und das Decolté oder der Sixpack präsentiert. Spannend ist nicht das „Selfie“ an sich, sondern die Reaktion der anderen:

Wie viele „Likes“ bekomme ich?

In der Sehnsucht nach Aufmerksamkeit vergessen manche leider auch ihre Selbstkontrolle: Das hochgeladene Bild gehört nun Facebook und wird auf fremden Servern gespeichert. Natürlich kann ich mein Foto löschen, doch vermutlich bleiben Kopien irgendwo gespeichert. Und damit bin ich beim „Online-Knigge“: Wie viel von meiner Persönlichkeit gebe ich preis? 

Für den Deutschen Knigge-Rat habe ich einen Privacy-Knigge erarbeitet, der Ihre Privatsphäre auch in der digitalen Welt schützen soll. Meine Empfehlung: Überlegen Sie genau, ob Sie diese Bilder auch in drei Jahren noch im Internet unter Ihrem Namen finden möchten.

Das berühmteste Selfie von der Oscar-Verleihung

Foto: Ellen DeGenere

Foto: Ellen DeGenere

Bei den Umgangsformen spielen für mich Vorbilder eine große Rolle. Bei der diesjährigen Oscar-Verleihung ging die Moderatorin Ellen DeGeneres mit ihrem Handy ins Publikum und rief Brad Pitt und andere Stars zum Selfie auf. Daraus entstand eine mediale Bugwelle: Das Bild wurde innerhalb von einer Stunde bereits eine Million Mal weitergeleitet. Nun kann man sagen: Nette Idee, was soll´s?

Als Knigge-Experte frage ich mich: Was ist mit den 43 Millionen Zuschauern, die in dieser Zeit von der Moderatorin völlig ignoriert wurden?  Ist das wirklich respektvoll? Natürlich ist mir als Medienmacher bewusst, das dieses Selfie auch eine traditionsreiche Sendung „verjüngen“ kann. Nach dem Motto: Cool, jetzt machen das auch schon die Promis live in der Sendung!

Ist das wirklich respektvoll?

Doch die „Coolness“ erreicht schnell auch Grenzen, wie bei der Trauerfeier für Nelson Mandela deutlich wurde: Aus aller Welt reisten die Regierungschefs an und „Die Welt“ titelte: „Obama & Co. vertreiben sich die Zeit mit Selfies„. Zu Recht fragen sich danach die Beobachter: „War ein solcher Jux-Schnappschuss dem traurigen Anlass angemessen? Dürfen sich Staatspräsidenten bei einer Trauerfeier selbst fotografieren – und sich dabei auch noch von anderen fotografieren lassen?“ Meine klare Antwort: Nein!

Als Vorbilder prägen sie die alltäglichen Umgangsformen – genauso wie Sie und ich. Sie merken schon: „Selfie“ – Das Wort des Jahres 2013 wird uns auch in Zukunft noch mehr beschäftigen.

Ich bin sehr gespannt auf Ihren Kommentar….


Rainer Wälde

Rainer Wälde liebt es, durch Filme, Bücher und Vorträge seine Zuhörer in ihrer Originalität zu ermutigen.
In seinem wöchentlichen Blog erzählt er ihre Geschichten.

www.rainerwaelde.de

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2 Kommentare

  1. Sehr geehrte Frau Selbach,

    vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Nicht wir als Firma duzen Sie, sondern WordPress – das System, mit unser Blog programmiert ist. Da es sich um ein amerikanisches Produkt handelt, haben die deutschen Programmierer (wir haben darauf keinen Einfluss) die Kommentarfunktion vom englischen „you“ auf „Du“ übersetzt.

    Herzlichen Dank für Ihr Verständnis.
    Rainer Wälde

  2. Sehr geehrter Herr Wälde,

    ich frage Sie erneut:
    Warum duzen Sie innerhalb der Kommentar-Funktion? Das ist für mich nicht stimmig.

    Freundliche Grüße,
    Verena Selbach