Gipfel und Täler des Lebens

von | 30.01.2017 | Biografie

Am Vorabend war alles klar, doch in dem Moment, in dem wir aufbrechen möchten, kommen uns manchmal dann doch Bedenken: Hält das Wetter wirklich? Ein anderer sagt: Ich habe heute Nacht nicht so gut geschlafen. Schaffe ich den Weg unter diesen Voraussetzungen oder ist es mir doch zu viel? Ein ungutes Gefühl beschleicht uns: Haben wir uns vielleicht doch mit den Höhenmetern verschätzt, die wir bezwingen wollen?

Foto: Tobias Kreissl

Foto: Tobias Kreissl

Viele Menschen kennen dieses Zögern kurz vor dem Aufbrechen. Im letzten Moment hält uns etwas zurück. Wir zweifeln, ob es richtig ist, sich auf dieses Wagnis einzulassen.

Es gibt ein gutes Zögern, das uns vor dem Aufbruch nochmals vor Augen hält, worauf wir uns einlassen wollen, und das uns einlädt, unsere Kräfte nochmals einzuschätzen. Aber es gibt auch das Zögern, das uns ohne wirklichen Grund daran hindert, überhaupt jemals wirklich aufzubrechen. Es hindert uns letztlich am Wagnis des Lebens.

Zögern heißt: etwas wiederholt hin und her ziehen. Wir ziehen die Gedanken mal in die eine Richtung und dann wieder in die andere, aber wir entscheiden uns nicht. Wir verzögern die Entscheidung, schieben sie hinaus. Ähnlich ist es mit unserem Leben: Wir schieben das Wichtige oftmals auf.

Leben heißt: sich entscheiden. Wir gestalten unsere Lebensgeschichte durch die Entscheidungen, die wir treffen. Wer keine Entscheidung trifft, über den entscheiden andere oder die Entwicklung der Dinge. Im schlimmsten Fall wird jemand Leidtragender dieser Entscheidungen.

Wer eine wesentliche Entscheidung ständig hinausschiebt, der hindert sich am Leben. Was ich hinausschiebe, das wird zu einem Berg, den ich dann nie mehr besteigen kann. Er wird immer höher und nimmt mir letztlich die Kraft, den ersten Schritt zu tun.

Jesus möchte unseren Glauben stärken

Der Berg ist nicht nur das Ziel unserer Wanderungen. Wir sprechen oft auch davon, dass wir vor einem Berg von Problemen stehen, dass die Arbeit zu einem Berg wird, den wir nicht mehr überblicken und den wir kaum bewältigen können. Die liegen gebliebenen Briefe haben sich beispielsweise zu einem Postberg aufgestapelt, der noch erledigt werden muss. Und oft erleben wir die grundsätzlichen Fragen und Probleme unseres Lebens wie einen Berg, der sich vor uns auftürmt.

Diese Erfahrung spricht Jesus an, wenn er zu seinen Jüngern sagt: „Ihr müsst Glauben an Gott haben. Amen, das sage ich euch: Wenn jemand zu diesem Berg sagt: Heb dich empor und stürz dich ins Meer!, und wenn er in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen“ (Mk 11,23). Jesus meinte das sicher nicht wörtlich, dass wir es fertigbringen, den Berg – etwa die Zugspitze – zu versetzen oder gar ins Meer stürzen zu lassen. Er will uns nicht zu Zauberstücken verführen, sondern möchte unseren Glauben stärken. So ist der Berg ein Bild. Und dieses Bild ist sprichwörtlich geworden: Wir sehnen uns nach einem Glauben, der Berge versetzen kann.

Wenn ich im Glauben an Gott meinen Grund habe, dann spüre ich von ihm her eine Kraft in mir, die nicht verzagt vor dem Berg an Arbeit, der vor mir liegt. Ich werde im Vertrauen auf Gott einfach anfangen und allmählich wird der Berg immer kleiner werden.

Wenn sich ein Berg von Problemen auftürmt, die ich am liebsten ängstlich vermeiden würde oder vor denen ich meine Augen verschließen möchte, dann kann der Glaube mir das Vertrauen vermitteln, dass sich diese Probleme lösen lassen. Der Glaube ist mir nicht nur das Fundament, auf dem ich stehen kann, um mich an die Arbeit oder Lösung der Probleme zu machen. Er schenkt mir auch eine andere Sichtweise: Ich erhebe im Glauben meine Seele zu Gott und schaue von ihm her auf meine Probleme. Ich schaue von einem höheren Punkt aus auf den Berg von Arbeit oder Schwierigkeiten. Und durch diesen Blick relativieren sich meine Probleme. Sie erscheinen mir nicht mehr übergroß.

Foto: Tobias Kreissl

Foto: Tobias Kreissl, Bild von Anselm Grün

Beim Bergsteigen machen wir eine ähnliche Erfahrung. Wenn wir unten stehen, denken wir: Das schaffen wir nie, dieser Berg ist zu hoch und der Weg zu schwer. Manchmal sehen wir erst gar keinen möglichen Weg, sondern nur den Felsen, der uns unbezwingbar erscheint. Aber wenn wir uns dann auf den Weg machen, Schritt für Schritt, kommt der Berg näher. Auf einmal haben wir ihn dann tatsächlich bestiegen. Dann spüren wir: Alle Befürchtungen haben sich in nichts aufgelöst.

Wer alles nur hinaus- oder vor sich herschiebt, vor dem türmen sich Berge, die nicht mehr zu schaffen sind … Zu langes Zögern kostet Energie – Energie, die wir für das Wandern brauchen. Wenn ich im Alltag zu stark zögere, ob ich bei einem Kurs, den ich halten soll, diese oder jene Übung einsetze, oder wenn ich zu lange überlege, ob ich diesem oder jenem Menschen einen Brief schreiben soll, dann spreche ich mir oftmals selbst ein Wort zu, das Jesus dem Gelähmten gesagt hat: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ (Joh 5,8).

Dieser Gedanke zerstreut alle zögerlichen Überlegungen. Ich tue dann das, was mir mein Herz gerade sagt, ich traue dem Gefühl, das gerade in meinem Herzen auftaucht. Ich höre auf, die Entscheidung noch weiter zu bedenken, und nehme in Angriff, was ich gerade als richtig erspüre, ohne es nochmals infrage zu stellen. Wenn ich dies tue und einfach aufstehe und gehe, überwinde ich die innere Lähmung, so wie es der Text beschreibt.

Ich kenne Menschen, die beispielsweise lange überlegen, ob sie zu einer Geburtstagsfeier gehen sollen, zu der sie eingeladen sind. Andere grübeln darüber nach, was sie anziehen oder was sie dem Geburtstagskind schenken sollen. Sie malen sich aus, was die anderen denken könnten, wenn das Geschenk zu klein oder zu groß ausfällt. Sie überlegen, was die anderen anziehen, ob sie sich leger oder feierlich kleiden. Manche können sich tagelang mit solchen Überlegungen beschäftigen und sich damit aller Energie berauben. Da wäre es besser, kurz innezuhalten und sich zu sagen: „Steh auf, nimm dein Bett und geh!“ Nimm deine Unsicherheit unter den Arm und gehe mit ihr auf die Menschen zu. Es geht dann schon. Es wird schon richtig.

 

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